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Von Bay­risch­zell um das Trains­joch – Be­schrei­bung

Auf un­se­rer ste­ten Su­che nach MTB-​Tou­ren in den baye­ri­schen Al­pen war uns schon öf­ter ei­ne ob Ih­rer präch­ti­gen Aus­bli­cke auf das Kai­ser­ge­bir­ge viel­ge­lob­te Rou­te um das Trains­joch auf­ge­fal­len. Daß wir die­se noch nicht ver­sucht hat­ten, war zwei Din­gen ge­schul­det: er­stens liegt sie ab­seits un­se­rer Stamm­re­vie­re; zwei­tens liegt ihr Start­punkt ein gu­tes Stück ent­fernt vom nächst­ge­le­ge­nen Bahn­hof in Bay­risch­zell.

Da wir als um­welt­be­wuß­te Bür­ger da­nach stre­ben, den In­di­vi­du­al­ver­kehr so weit als mög­lich zu mei­den, war Letz­te­res ein Prob­lem. Aus Kar­ten war er­sicht­lich, daß die Fahrt vom Bay­risch­zel­ler Bahn­hof bis zum Start­punkt der Tour äu­ßerst häß­lich wer­den wür­de: rund 7 km ent­lang der ex­trem be­fah­re­nen ST2075 (Ti­ro­ler Stra­ße) wä­ren zu­rück­zu­le­gen. Es gab kei­ne ver­nünf­ti­ge Mög­lich­keit, von Bay­risch­zell kom­mend die Tour an ei­nem an­de­ren Punkt zu be­gin­nen oder die Staats­stra­ße zu um­ge­hen. In vol­lem Be­wußt­sein un­se­res Wahn­sinns ent­schie­den wir uns, die­ses Op­fer auf uns zu neh­men.

Nicht be­wußt hin­ge­gen war uns, daß die Deut­sche Bahn AG die ge­wal­ti­gen Un­ver­schämt­hei­ten, die wir als Kun­de die­ses Un­ter­neh­mens be­reits er­lebt hat­ten, bei der Fahrt aus dem Land­kreis Augs­burg nach Bay­risch­zell noch über­tref­fen wür­de. Doch der Rei­he nach:

An die­sem Tag in der Som­mer-​Hoch­sai­son 2009 er­folg­ten An­kunft und Ab­fahrt der ge­wähl­ten Zü­ge aus­nahms­wei­se zu­nächst fahr­plan­ge­mäß, so daß die Un­si­cher­heit, ob denn beim näch­sten Um­stieg der An­schluß­zug zu er­rei­chen sei, und der da­mit ver­bun­de­ne Streß ent­fie­len. Die da­durch ent­stan­de­ne Eu­pho­rie wur­de al­ler­dings kurz vor dem Ziel jäh ge­dämpft: End­sta­ti­on der Fahrt war kurz nach dem Schlier­see, näm­lich in Fisch­hau­sen-​Neu­haus rund 12 km Luft­li­nie vom Bahn­hof in Bay­risch­zell ent­fernt. Grund und Fol­gen des vor­zei­ti­gen En­des der Fahrt kön­nen nur fas­sungs­los zur Kennt­nis ge­nom­men wer­den.

Die Ent­schei­der bei der Deut­schen Bahn AG glau­ben of­fen­sicht­lich, daß der op­ti­ma­le Zeit­punkt, um Bahn­stre­cken in be­lieb­te baye­ri­sche Tou­ri­sten­or­te wie Bay­risch­zell zu re­pa­rie­ren, die som­mer­li­che Hoch­sai­son ist. Lo­gisch: die mit den Re­pa­ra­tu­ren be­trau­ten Ar­bei­ter füh­len sich zwei­fel­los bei sen­gen­der Son­ne und 32 Grad im Schat­ten am wohl­sten, wenn das Me­tall der Schie­nen so­wie die dunk­len Schwel­len rich­tig glü­hen, und die Stre­cke nach Bay­risch­zell wird ge­ra­de in den Som­mer­fe­ri­en am we­nig­sten ge­braucht.

Selbst­ver­ständ­lich war es aus Sicht der Deut­schen Bahn AG auch völ­lig un­nö­tig, bei der Aus­ga­be des Fahr­plans via In­ter­net auf das vor­zei­ti­ge En­de der Fahrt hin­zu­wei­sen. Schließ­lich war der Schie­nen­er­satz­ver­kehr (Be­am­ten­deutsch für Bus­fah­ren) ja ei­ne be­frie­di­gen­de Al­ter­na­ti­ve, ins­be­son­de­re da die Fahr­gä­ste im Bus sich dann nicht mehr durch lä­sti­ge MTB-​Fah­rer und ih­re Ge­rä­te be­lä­stigt füh­len muß­ten - die­se wur­den näm­lich wei­sungs­ge­mäß von den Bus­fah­rern nicht mit­ge­nom­men.

Dies zeigt ein­mal mehr, was an an­de­rer Stel­le schon ge­schrie­ben steht [Link]: die Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen für den Auf­stieg in die Füh­rungs­ebe­nen der Deut­schen Bahn AG sind Un­ver­schämt­heit so­wie ein nied­ri­ger IQ. Dies nimmt nicht Wun­der, be­steht doch im­mer noch ein en­ger Zu­sam­men­hang zwi­schen der Bun­des­re­pub­lik Deutsch­land und der Deut­schen Bahn AG, und ist in­so­fern doch zu er­war­ten, daß das Füh­rungs­per­so­nal die­ser eben­so we­nig mit ir­gend­ei­ner Art von fach­li­cher oder mo­ra­li­scher Qua­li­fi­ka­ti­on aus­ge­stat­tet ist wie die das je­ner. Aber das Aus­maß des Ver­sa­gens über­rascht doch im­mer wie­der.

Wie viel Blöd­heit und Rück­sichts­lo­sig­keit sind ei­gent­lich er­for­der­lich, um die Re­pa­ra­tu­ren für ei­ne Stre­cke in ei­ne baye­ri­sche Tou­ri­sten-​Hoch­burg in die Hoch­sai­son zu le­gen [Link], die Sper­rung der Stre­cke bei der Aus­ga­be von Fahr­plä­nen im In­ter­net mit kei­ner Sil­be zu er­wäh­nen, und dann noch ei­nen Er­satz­ver­kehr ein­zu­set­zen, der kei­ne Fahr­rä­der be­för­dert? Ein psy­chisch ge­sun­der Mensch wä­re un­ab­hän­gig von sei­ner Aus­bil­dung zu so viel Idio­tie je­den­falls gar nicht in der La­ge, und man fragt sich des­halb angst­er­füllt, wo ei­gent­lich die­ses Heer von Voll­pfo­sten und Psy­cho­pa­then sei­nen Ur­sprung hat, aus dem die Deut­sche Bahn AG ih­re mitt­le­ren und hö­he­ren Füh­rungs­ebe­nen speist.

Bes­se­rung ist nicht in Sicht. Auch im Jahr 2011 muß­ten Bahn­stre­cken re­pa­riert wer­den, un­ter an­de­rem die­je­ni­ge nach Oberst­dorf. Der ge­neig­te Le­ser mö­ge ra­ten, wel­cher Zeit­raum hier­für aus­er­ko­ren wur­de. Rich­tig ge­ra­ten: 30.07.2011 bis 29.10.2011 [Link].

Daß in an­de­ren Be­trie­ben, die sich auf Bun­des­ebe­ne mit Ver­kehrs­pla­nung be­schäf­ti­gen, die glei­che Men­ta­li­tät und Un­fä­hig­keit vor­herr­schen, zeigt ei­ne Anek­do­te, die eben­falls aus 2011 stammt: Wie­der ein­mal wur­de mei­ne Lieb­lings-​Au­to­bahn, näm­lich die A8, in der som­mer­li­chem Hoch­sai­son zu Fe­ri­en­be­ginn ge­sperrt oder we­sent­lich ver­engt [Link] - für Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten! Der Chef (oder Spre­cher?) der zu­stän­di­gen Au­to­bahn­mei­ste­rei hat­te dann die Chuz­pe, in ei­nem Ra­dio-​In­ter­view im Brust­ton der Über­zeu­gung und vol­ler Selbst­be­wußt­sein sinn­ge­mäß fol­gen­des zum Be­sten zu ge­ben: Man müs­se die Sper­rung zu die­sem Zeit­punkt vor­neh­men, weil die Re­pa­ra­tu­ren im Win­ter nicht durch­führ­bar sei­en.

Schon klar: Zwi­schen dem De­zem­ber und dem Au­gust gibt es be­kann­ter­ma­ßen kei­ne an­de­ren Mo­na­te. Er­schre­ckend ist, mit wel­cher Selbst­ver­ständ­lich­keit sol­che hirn­ris­si­gen Ar­gu­men­te öf­fent­lich kom­mu­ni­ziert wer­den, und daß ein Mensch, der Der­ar­ti­ges aus­spricht oder aus­spre­chen muß, nicht vor Scham im Bo­den ver­sinkt. An­de­rer­seits hat schon Ber­trand Rus­sell tref­fend fest­ge­stellt: "Es ist ein Jam­mer, daß die Dumm­köp­fe so selbst­si­cher sind und die Klu­gen so vol­ler Zwei­fel."

Aber ei­gent­lich soll die Tour ums Trains­joch Ge­gen­stand die­ses Ar­ti­kels sein: Die­se be­gann für uns al­so mit der Su­che nach ei­ner Mög­lich­keit, von Fisch­hau­sen-​Neu­haus zum Bahn­hof in Bay­risch­zell zu ge­lan­gen, denn der Track, den wir auf un­se­ren GPS-​Ge­rä­ten ge­spei­chert hat­ten und dem wir bei un­se­rer Tour fol­gen woll­ten, be­gann eben­dort. Die er­ste Idee, ein­fach der Bun­des­stra­ße B307 zu fol­gen, die die bei­den Or­te ver­bin­det, wur­de nach ei­nem kur­zen Blick auf das ex­tre­me Ver­kehrs­auf­kom­men ad ac­ta ge­legt.

Wie­der ein­mal er­wies sich die Kar­ten­dar­stel­lung un­se­rer GPS-​Ge­rä­te als äu­ßerst nütz­lich, fan­den wir doch ei­ne Rou­te, die zwar an­fangs für kur­ze Zeit an der B307 ent­lang führ­te; die­se konn­te dann aber ver­las­sen wer­den, und ab da war die Fahrt nach Bay­risch­zell so­gar schön, teils ent­lang Bach­läu­fen, teils ent­lang der ge­ra­de in der Re­pa­ra­tur be­find­li­chen Bahn­stre­cke, zum größ­ten Teil oh­ne Au­to­ver­kehr. Die­se Rou­te ist in der Kar­te nicht sicht­bar, da sie nicht zur ei­gent­li­chen Tour ge­hört.

Die Fahrt vom Bahn­hof in Bay­risch­zell zum Start­punkt der Tour war noch un­an­ge­neh­mer als er­war­tet. Sie ver­lief für un­ge­fähr 6 km ent­lang der ST2075, ei­ner Staats­stra­ße mit ex­tre­mem Ver­kehrs­auf­kom­men, die aus ir­gend­ei­nem Grund über­pro­por­tio­nal vie­le min­der­be­mit­tel­te mo­to­ri­sier­te Ver­kehrs­teil­neh­mer an­zieht und zum Ver­such ani­miert, ih­re gei­sti­gen und kör­per­li­chen De­fi­zi­te durch rück­sichts­lo­se Ra­se­rei und lau­te Fahr­wei­se zu kom­pen­sie­ren und so um Auf­merk­sam­keit zu buh­len, die Ih­nen ab­seits der Stra­ße wohl kaum zu­teil wird.

Aber auch die­je­ni­gen mo­to­ri­sier­ten Ver­kehrs­teil­neh­mer, die nicht auf den er­sten Blick der Grup­pe die­ser Hirn­am­pu­tier­ten zu­zu­ord­nen sind, schnei­den Rad­fah­rer und Fuß­gän­ger hier in kri­mi­nel­ler Wei­se und über­ho­len oh­ne je­de Rück­sicht auf Ge­gen­ver­kehr. Man scheint sich ei­nen Spaß da­raus zu ma­chen, den Schwä­che­ren beim Über­ho­len ei­ne mög­lichst gro­ße, stin­ken­de Wol­ke Ab­gas in die Lun­gen zu pum­pen, gleich­sam als Stra­fe für die Re­vo­luz­zer, de­ren sym­bol­haf­te Lang­sam­keit in die­ser Ge­gend wohl als pro­vo­zie­ren­des Sinn­bild für ein sich trotz skru­pel­lo­ser Zer­stö­rung der Um­welt nicht ein­stel­len­des Wirt­schafts­wach­stum auf­ge­faßt wird und des­halb aus­ge­merzt wer­den muß.

Nicht ein­mal ein Rad­weg, der zwar nicht das Wohl­be­fin­den ge­stei­gert, aber im­mer­hin ei­ne Fahrt oh­ne Le­bens­ge­fahr er­mög­licht hät­te, war vor­han­den. Lei­der stell­te sich im wei­te­ren Ver­lauf der Tour he­raus, daß wir kei­nes­wegs in ei­ne Son­der­si­tua­ti­on ge­ra­ten wa­ren, son­dern daß die vor­herr­schen­de Fahr­wei­se auf die­ser Stra­ße und das schä­bi­ge und rück­sichts­lo­se Ver­hal­ten ge­gen­über der Um­welt und den Lang­sa­me­ren die Men­ta­li­tät der Be­völ­ke­rung und der Po­li­tik im Bay­risch­zel­ler Raum wi­der­spie­geln.

Ra­dar­mes­sun­gen an die­ser Stra­ße wä­ren mit Si­cher­heit ei­ne Gold­gru­be für die öf­fent­li­che Kas­se, sind je­doch of­fen­bar po­li­ti­sch nicht ge­wollt. Nie­mand ge­bie­tet dem Um­welt-​ und Lärm-​Ter­ro­ris­mus Ein­halt, der durch die vie­len Möch­te­gerns und ih­re Gei­stes­pro­the­sen ver­ur­sacht wird. Dies ist um­so be­dau­er­li­cher, als de­ren An­zahl heut­zu­ta­ge nicht mehr durch na­tür­li­che Se­lek­ti­on re­du­ziert wird.

Nach ei­ner end­los schei­nen­den gu­ten Vier­tel­stun­de, wäh­rend der ich zum er­sten und bis­her ein­zi­gen Mal in mei­nem Le­ben Angst auf dem MTB ver­spür­te, war end­lich der ret­ten­de Park­platz er­reicht, der den Start­punkt der Tour mar­kiert. De­ren er­stes Etap­pen­ziel ist das klei­ne Joch zwi­schen Wirts­hö­he und Schnee­lah­ner, das im grö­ße­ren Maß­stab als Ver­bin­dung zwi­schen dem Mas­siv des Trains­joch und dem Mang­fall­ge­bir­ge auf­ge­faßt wer­den kann.

Zu­nächst führ­te die Stre­cke mit mä­ßi­ger Stei­gung durch das Nes­sel­tal, meist in der Nä­he klei­ne­rer Bach­läu­fe, an der Nes­sel­alm vor­bei. Spä­ter wur­de der Un­ter­grund et­was schwie­ri­ger und der Weg steil, ge­le­gent­lich sehr steil. Zum Schluß stand ei­ne kur­ze, stei­le Tra­ge­stre­cke auf schma­ler Pfad­spur durch lich­ten Berg­wald auf dem Pro­gramm. Auf die­sem Stre­cken­ab­schnitt wa­ren rund 450 hm zu über­win­den, ver­teilt auf ei­ne Di­stanz von rund 5 km.

Als Na­tur­freun­de ka­men wir da­bei voll auf un­se­re Ko­sten. Die Fahrt fand in ab­so­lu­ter Ein­sam­keit statt; wir be­geg­ne­ten auf die­sem Ab­schnitt kei­ner Men­schen­see­le. Das Aus­blei­ben der Berg­sport­ler war wohl ei­ne der Vo­raus­set­zun­gen da­für, daß hier fas­zi­nie­ren­de Ve­ge­ta­tion und mäch­ti­ge Amei­sen­hau­fen auf dem Bo­den des Berg­wal­des und der ihn durch­set­zen­den Wie­sen ent­stan­den sind.

Die­ser er­freu­li­chen Si­tua­ti­on folg­te der er­ste Hö­he­punkt der Tour, näm­lich die Über­que­rung des oben er­wähn­ten Jochs. Um­gab uns wäh­rend der letz­ten Ki­lo­me­ter mehr oder we­ni­ger wind-​ und blick­dich­ter Berg­wald, so be­fan­den wir uns nun plötz­lich in­mit­ten ei­ner kräf­ti­gen Bri­se, die über das Joch zog, un­ver­mit­telt tat sich das freie Ge­län­de der Wirts­alm vor uns auf, und es er­öff­ne­ten sich schö­ne Bli­cke auf be­nach­bar­te Ber­ge, ins­be­son­de­re auf den rund 3 km ent­fern­ten Brünn­stein. Nach Pas­sa­ge der Wirts­alm und ei­ner wei­te­ren klei­nen Auf­fahrt war der höch­ste Punkt der Tour er­reicht und de­ren er­ster Ab­schnitt be­en­det.

Er­ster An­stieg
Szene aus dem ersten Anstieg, kurz unterhalb des ersten überquerten Jochs
Sze­ne aus dem er­sten An­stieg, kurz un­ter­halb des er­sten über­quer­ten Jochs
Szene aus dem ersten Anstieg, kurz unterhalb des ersten überquerten Jochs
Brünn­stein
Blick auf den Brünnstein (Nähe Wirtsalm)
Blick auf den Brünn­stein (Nä­he Wirts­alm)
Blick auf den Brünnstein (Nähe Wirtsalm)
Nä­he Wirts­alm
Fernblick über den Kleinen Brünnberg hinweg
Fern­blick über den Klei­nen Brünn­berg hin­weg
Fernblick über den Kleinen Brünnberg hinweg
Am Wald­rand
Kurz nach der Wirtsalm (Beginn der ersten längeren Abfahrt)
Kurz nach der Wirts­alm (Be­ginn der er­sten län­ge­ren Ab­fahrt)
Kurz nach der Wirtsalm (Beginn der ersten längeren Abfahrt)

Von je­nem höch­sten Punkt aus wa­ren be­reits tol­le Bli­cke auf den Wil­den Kai­ser mög­lich. Das Wis­sen, die­sem im wei­te­ren Ver­lauf der Tour noch nä­her zu kom­men, stei­ger­te die Vor­freu­de auf die wei­te­ren Etap­pen. Zu­nächst je­doch stand ei­ne län­ge­re Ab­fahrt auf dem Plan; aus dem frei­en Alm­ge­län­de mit Weit­blick tauch­ten wir in dich­te­re Be­wal­dung ein und folg­ten dem steil ab­fal­len­den Weg durch die Roß­lei­ten, par­al­lel zum Alp­bach, aber im­mer ei­ni­ge Hö­hen­me­ter über die­sem. Gut 450 hm auf rund 3.5 km wur­den ab­ge­baut, bis der Alp­bach bei der Stub­ler-​Alm auf den be­rühm­ten Gie­ßen­bach traf.

Hier war trotz der Brei­te des Forst­wegs und trotz des gu­ten Un­ter­grunds ein we­nig Auf­merk­sam­keit er­for­der­lich. Der Weg führ­te oh­ne Si­che­rung an der Gie­ßen­bach­klamm ent­lang, nur durch ei­nen hand­tuch­brei­ten Gras­strei­fen von der senk­rech­ten Fels­wand der Schlucht ge­trennt; ein Ver­steu­ern hät­te fa­ta­le Fol­gen ge­habt.

Lei­der ist die Klamm von oben kaum ein­zu­se­hen; selbst wer al­le Vor­sicht bei­sei­te schiebt und sich über den Rand der Schlucht beugt, hört zwar das To­sen des Was­sers in der Tie­fe, sieht aber nicht den Grund der Schlucht. Aus Zeit­man­gel und we­gen zu ho­hen Was­ser­stands schei­ter­te auch der Ver­such, nach Pas­sa­ge der Klamm von un­ten her in die­se ein­zu­drin­gen, um ein we­nig mehr die­ses Na­tur­schau­spiels ge­nie­ßen zu kön­nen.

Die wei­te­re Ab­fahrt be­glei­te­te den Gie­ßen­bach ein­mal nah, ein­mal ent­fern­ter über rund 6.5 km und 260 hm un­ge­fähr bis Brei­ten­au; der End­punkt der Ab­fahrt liegt tie­fer als der Start­punkt der Tour. Bis zu die­sem Punkt war die Tour emp­feh­lens­wert und schön, na­tür­lich ab­ge­se­hen von der An­fahrt auf der Bun­des-​ und Staats­stra­ße. Für den ver­blei­ben­den Teil der Tour soll­te al­ler­dings das Ge­gen­teil gel­ten.

Nach Brei­ten­au be­gann der An­stieg zum zwei­ten Gip­fel. Zu­erst führ­te der Weg ent­lang des Kie­fer­bachs und der Thier­seer Ache für rund 1.5 km bei kaum spür­ba­rer Stei­gung fluß­auf­wärts durch das Ge­län­de ei­ner rie­si­gen, still­ge­leg­ten Fab­rik, wel­che dem Ab­bau oder der Vor­ver­ar­bei­tung von Kalk­stein dien­te und von der aus das Werk der Hei­del­berg­Ce­ment AG in Kie­fers­fel­den be­lie­fert wur­de. Re­sig­niert nah­men wir zur Kennt­nis, welch ex­or­bi­tant gro­ße Flä­che durch die Fab­rik zer­stört wor­den ist.

Nach Pas­sa­ge des Ze­ment­werks schlän­gel­te sich der Weg auf der Berg­schul­ter, die das Tal der Thier­seer Ache auf der nord­öst­li­chen Sei­te be­grenzt, un­ge­fähr 1 km lang rund 100 hm berg­auf. Spä­te­stens hier ver­wan­del­te sich un­se­re Re­sig­na­ti­on in kal­te Wut an­ge­sichts des un­ge­heu­ren Aus­ma­ßes der Um­welt­schä­den, die hier ver­ur­sacht wor­den sind: zur Ge­win­nung des Kalk­steins ist die Schul­ter des ge­gen­über­lie­gen­den Ber­ges zu ei­nem gro­ßen Teil weg­ge­sprengt wor­den! [Link]

Wie­der ein­mal wünscht man sich, daß die be­sto­che­nen Ver­bre­cher, die die Ge­neh­mi­gun­gen für ei­nen sol­chen Raub­bau er­tei­len, ei­nes Ta­ges da­für be­zah­len müs­sen, was sie der Um­welt und den zu­künf­ti­gen Ge­ne­ra­tio­nen durch ih­re Pro­fit­gier an­tun. Aber das wird in ei­ner Ge­sell­schaft, die mitt­ler­wei­le von zu lang­fri­sti­gem Den­ken in grö­ße­ren Zu­sam­men­hän­gen völ­lig un­fä­hi­gen BWL-​Ab­sol­ven­ten re­giert wird, vor al­lem aber von kor­rup­ten Po­li­ti­kern mit un­faß­bar nied­ri­gem IQ [ty­pi­sches Bei­spiel], auf ab­seh­ba­re Zeit kaum der Fall sein.

Wir wa­ren der­art ver­dat­tert, daß wir es ver­säum­ten, die gru­se­li­ge Sze­ne zu do­ku­men­tie­ren, und woll­ten die­sen Ein­drü­cken so schnell wie mög­lich ent­rin­nen. Die Stre­cke ver­lief nun für rund 2 km fast flach und auto­frei vor­bei an ein­zel­nen Ge­höf­ten oder Häu­sern und für rund 1 km durch Vor­der­thier­see und ent­lang ei­ner Haupt­stra­ße. Nach Ver­las­sen der­sel­ben und Über­que­rung der Thier­seer Ache be­gann der letz­te grö­ße­re An­stieg der Tour über rund 6 km und rund 600 hm, ent­lang der Flan­ken des Vor­de­ren und Hin­te­ren Sonn­berg, die durch den Trains­bach und das von ihm ge­schaf­fe­ne klei­ne Tal ge­trennt wer­den.

Wäh­rend die­ses An­stiegs be­trug die Stei­gung fast durch­gän­gig um die 15%, zu­sätz­lich war der An­stieg durch­setzt von klei­ne­ren, gif­ti­gen Ram­pen, zu de­ren Be­wäl­ti­gung ne­ben ei­ner ge­wis­sen Kon­di­ti­on auch fahr­tech­ni­sche Grund­fer­tig­kei­ten Vo­raus­set­zung sind. In der Nä­he der Stel­le, an der der Trains­bach über­quert wur­de, konn­ten dann die er­war­te­ten gran­dio­sen Aus­sich­ten auf den wil­den Kai­ser und sei­ne Um­ge­bung ge­nos­sen wer­den.

Doch dies war kein Aus­gleich für die ne­ga­ti­ven Er­leb­nis­se, die wir wäh­rend der sonst sehr schö­nen Auf­fahrt hat­ten:

Er­stens herrsch­te stän­di­ge Lärm­be­lä­sti­gung vor, auch 600 hm über dem Tal­bo­den und sei­ner Haupt­stra­ße. Die Er­klä­rung fan­den wir erst spä­ter bei noch­ma­li­gem Stu­di­um der Kar­ten: Die auf dem Tal­bo­den ver­lau­fen­de L37 ist schlicht und ein­fach die Fort­set­zung der oben er­wähn­ten ST2075 auf ös­ter­rei­chi­scher Sei­te; dort wird selbst­ver­ständ­lich ge­nau­so rück­sichts­los ge­rast wie auf der deut­schen Sei­te. Trotz der Hö­hen­dif­fe­renz von 600 m gibt es kein Ent­rin­nen aus dem Lärm, der von den oben ge­nann­ten min­der­be­mit­tel­ten In­di­vi­du­en ver­ur­sacht wird. Die Stra­ßen ha­ben das Trains­joch von fast al­len Sei­ten im Wür­ge­griff.

Zwei­tens wa­ren wir ent­setzt da­rü­ber, daß man auch in Ös­ter­reich of­fen­bar kei­ne Prob­le­me da­mit hat, Neu­bau­ten rie­si­ger Ge­höf­te in emp­find­li­chen Berg­re­gio­nen zu ge­neh­mi­gen, und der Mei­nung ist, daß am be­sten je­der Feld-​ und Forst­weg as­phal­tiert wer­den muß, auch in Berg­re­gio­nen, die je­der ver­nünf­ti­ge Mensch dies­be­züg­lich für ta­bu hal­ten wür­de.

Daß deut­sche Po­li­ti­ker dies­be­züg­lich an Skru­pel­lo­sig­keit nicht zu über­bie­ten sind, so lan­ge nur ge­nug per­sön­li­cher Pro­fit da­bei he­raus­springt (al­so im­mer), ist be­kannt, aber un­se­re ös­ter­rei­chi­schen Nach­barn schie­nen bis­lang ver­nünf­ti­ger mit den na­tür­li­chen Res­sour­cen um­zu­ge­hen. An­schei­nend hat sich je­doch in der Ge­gend um Bay­risch­zell und Kuf­stein ein be­son­de­rer Men­schen­schlag ent­wi­ckelt. De­vo­lu­tion wä­re wohl ein pas­sen­der, wenn auch bis­lang un­be­kann­ter Be­griff für ei­ne sol­che Ent­wick­lung.

Drit­tens, und das wog am schwer­sten, ra­sten re­gel­mä­ßig auf den Forst­we­gen, auf de­nen der An­stieg ver­lief und die für mo­to­ri­sier­ten Ver­kehr ge­sperrt wa­ren, dro­hend drein­bli­cken­de Sub­jek­te mit schrott­rei­fen Au­tos auf und ab. Die­sen war nun wirk­lich auf den er­sten Blick an­zu­se­hen, daß sie der al­ler­un­ter­sten so­zia­len und in­tel­lek­tu­el­len Ka­te­go­rie an­ge­hör­ten, und eben­so, daß ih­re letz­te Du­sche wohl schon ei­ni­ge Wo­chen zu­rück­lag.

Im Mi­nu­ten­ab­stand wä­ren wir je­weils fast vom Rad ge­fegt wor­den wä­ren von ei­nem die­ser Pro­le­ten. Es blieb uns nichts an­de­res üb­rig, als je­des Mal, wenn wir die Ge­fahr he­ran­na­hen hör­ten, un­se­re Fahrt zu un­ter­bre­chen und uns aus der Schuß­li­nie zu brin­gen. Selbst­ver­ständ­lich hat­te das Pack die Num­mern­schil­der von den Fahr­zeu­gen ab­mon­tiert, so daß ei­ne An­zei­ge bei der Po­li­zei ver­geb­lich ge­we­sen wä­re. So et­was ha­be ich in den 25 Jah­ren, in de­nen ich nun MTB fah­re, kein wei­te­res Mal er­lebt.

Kai­ser 1
Blick auf den Zahmen und den Wilden Kaiser von Westen
Blick auf den Zah­men und den Wil­den Kai­ser von We­sten (u.a. Elfer-​ und Zwöl­fer­ko­gel, Py­ra­mi­den­spit­ze, Fleisch­bank, Karl­spit­ze, Ell­mau­er Halt, Sonn­eck, Ha­cken­köp­fe)
Blick auf den Zahmen und den Wilden Kaiser von Westen
Kai­ser 2
Blick auf den Wilden Kaiser von Westnordwest über das (hier unsichtbare) Inntal
Blick auf den Wil­den Kai­ser von West­nord­west über das (hier un­sicht­ba­re) Inn­tal (u.a. Fleisch­bank, Karl­spit­ze, Ell­mau­er Halt, Sonn­eck, Ha­cken­köp­fe, Schef­fau­er, Zet­ten­kai­ser)
Blick auf den Wilden Kaiser von Westnordwest über das (hier unsichtbare) Inntal

Über den letz­ten Teil der Tour ist schnell be­rich­tet: Nach Er­rei­chen des höch­sten Punkts nahm die Be­dro­hung durch die Dorf­dep­pen und ih­re Fahr­zeu­ge ab, weil wir die Ab­fahrt ge­nau­so schnell mei­stern konn­ten wie sie und wir ih­nen in­so­fern nicht mehr im Weg wa­ren. Die Ab­fahrt ver­lief auf ei­nem der ge­birgs­ty­pi­schen Forst­we­ge, der gro­ßen­teils durch den Wald an der Flan­ke des Hin­te­ren Sonn­bergs zu­rück führ­te zur ST2075 und da­bei über ei­ne Di­stanz von rund 5 km knapp 400 hm ab­bau­te.

Um zum Start­punkt der Tour zu ge­lan­gen, muß­te dann noch die ST2075 für rund 2 km in Rich­tung Nor­den be­fah­ren wer­den. Von hier fand die Rück­fahrt zum Bahn­hof in Bay­risch­zell statt, na­tür­lich wie­der un­ter den ein­gangs ge­schil­der­ten wid­ri­gen Um­stän­den.

Dort ge­schah dann noch et­was Ver­söhn­li­ches: Wenn wir mit dem MTB vom Bay­risch­zel­ler Bahn­hof nach Fisch­hau­sen zu­rück­fah­ren hät­ten müs­sen, hät­ten wir den avi­sier­ten Zug nicht er­reicht und zwei Stun­den war­ten müs­sen. Ei­ner der Bus­fah­rer, der für den Schie­nen­er­satz­ver­kehr ein­ge­teilt war, hat sich des­halb nach kur­zem Über­le­gen und sicht­ba­rem Kampf mit sich selbst da­zu ent­schlos­sen, sei­ne Dienst­an­wei­sung zu ig­no­rie­ren und nicht nur uns, son­dern auch un­se­re Fahr­zeu­ge in sei­nem Bus zu be­för­dern.

Für die­ses Maß an Mensch­lich­keit und Zi­vil­cou­ra­ge ge­büh­ren die­sem Mann noch heu­te un­ser Re­spekt und un­se­re Dank­bar­keit, und selbst­ver­ständ­lich ha­ben wir vor dem Ein­stieg un­se­re MTBs ge­rei­nigt, so­weit dies mit­hil­fe des zur Ver­fü­gung ste­hen­den Werk­zeugs, näm­lich Gras­bü­schel und Zwei­ge, mög­lich war, und uns dann pein­lichst da­rum be­müht, auch die klein­ste Ver­schmut­zung sei­nes blitz­sau­be­ren und of­fen­kun­dig na­gel­neu­en Ge­fährts zu ver­hin­dern. Es war wie im­mer: Die­je­ni­gen, die die ech­te Ar­beit lei­sten, glei­chen un­ter per­sön­li­chem Ri­si­ko die Dumm­heit und Un­ver­schämt­heit der ih­nen vor­ge­setz­ten Nie­ten in Na­del­strei­fen aus, so gut es eben geht.

Am Bahn­hof und wäh­rend der Bus­fahrt ka­men wir zu gu­ter Letzt noch mit ei­ni­gen äl­te­ren Herr­schaf­ten ins Ge­spräch. Die­se wa­ren in der Hoff­nung nach Bay­risch­zell ge­fah­ren, dort na­tur­nah wan­dern zu kön­nen und ein­mal wie­der ei­ni­ge Wild­bä­che zu se­hen. Es sagt ei­ni­ges aus, wenn auch Per­so­nen hö­he­ren Al­ters, die sich doch nor­ma­ler­wei­se um an­de­re Din­ge sor­gen als den Um­welt­schutz, sich zor­nig da­rü­ber äu­ßern, daß "al­le Bä­che zu­be­to­niert" sei­en und über­haupt die Na­tur im schlimm­sten Aus­maß ver­ge­wal­tigt wer­de.

Fa­zit:

Die Er­leb­nis­se die­ses Ta­ges fü­gen sich zu ei­nem Ge­samt­bild. Gel­tuns­süch­ti­ge Ra­ser und ver­wahr­lo­ste Halb­af­fen ver­schmut­zen rück­sichts­los die Um­welt und ge­fähr­den kri­mi­nell Wan­de­rer und Fahr­rad­fah­rer auf Stra­ßen und ge­sperr­ten Forst­we­gen; hal­be Ber­ge wer­den zur Ze­ment­ge­win­nung weg­ge­sprengt; mit­ten auf dem Berg wer­den Neu­bau­ten rie­si­ger Ge­höf­te ge­neh­migt; Wild­bä­che wer­den am lieb­sten zu­be­to­niert, ein gro­ßes Ziel scheint die As­phal­tie­rung al­ler Forst­we­ge mit an­schlie­ßen­der un­ein­ge­schränk­ter Frei­ga­be für den Au­to­ver­kehr zu sein; auch vie­le hun­dert Hö­hen­me­ter über dem Tal herrscht per­ma­nen­ter Lärm; Um­welt­schutz egal wel­cher Art ist ein Fremd­wort im Bay­risch­zel­ler Raum.

Wäh­rend an­dern­orts zu­min­dest ge­le­gent­lich Hoff­nungs­schim­mer und Hin­wen­dung zu nach­hal­ti­gem Wirt­schaf­ten er­kenn­bar sind, be­fin­det man sich hier auf dem gei­sti­gen Stand, der in der Mit­te des letz­ten Jahr­hun­derts vor­herrsch­te. Fal­sche Pro­phe­ten, die es auf­grund ih­rer Aus­bil­dung und feh­len­der gei­sti­ger Fä­hig­kei­ten nicht bes­ser wis­sen kön­nen, tref­fen hier of­fen­bar auf noch düm­me­re, oder, was wahr­schein­li­cher ist, kor­rup­te Ent­schei­der, die der Be­völ­ke­rung vor­ge­setzt sind; daß Letz­te­re die bei­den Er­ste­ren nicht längst zum Teu­fel ge­jagt hat, ist nur durch ei­ne Art lo­ka­ler De­vo­lu­tion zu er­klä­ren.

Oder soll­te das al­les von wei­ter oben ver­ord­net sein, es sich gar um ei­ne Spiel­art des­sen han­deln, was die Baye­ri­sche Staats­re­gie­rung als "Ent­wick­lung des länd­li­chen Raums" be­zeich­net? Gu­te Nacht, Zu­kunft!

Bay­risch­zell und Um­ge­bung - ganz si­cher nie wie­der!



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