Auf unserer steten Suche nach MTB-Touren in den bayerischen Alpen war uns schon öfter eine ob Ihrer prächtigen Ausblicke auf das Kaisergebirge vielgelobte Route um das Trainsjoch aufgefallen. Daß wir diese noch nicht versucht hatten, war zwei Dingen geschuldet: erstens liegt sie abseits unserer Stammreviere; zweitens liegt ihr Startpunkt ein gutes Stück entfernt vom nächstgelegenen Bahnhof in Bayrischzell.
Da wir als umweltbewußte Bürger danach streben, den Individualverkehr so weit als möglich zu meiden, war Letzteres ein Problem. Aus Karten war ersichtlich, daß die Fahrt vom Bayrischzeller Bahnhof bis zum Startpunkt der Tour äußerst häßlich werden würde: rund 7 km entlang der extrem befahrenen ST2075 (Tiroler Straße) wären zurückzulegen. Es gab keine vernünftige Möglichkeit, von Bayrischzell kommend die Tour an einem anderen Punkt zu beginnen oder die Staatsstraße zu umgehen. In vollem Bewußtsein unseres Wahnsinns entschieden wir uns, dieses Opfer auf uns zu nehmen.
Nicht bewußt hingegen war uns, daß die Deutsche Bahn AG die gewaltigen Unverschämtheiten, die wir als Kunde dieses Unternehmens bereits erlebt hatten, bei der Fahrt aus dem Landkreis Augsburg nach Bayrischzell noch übertreffen würde. Doch der Reihe nach:
An diesem Tag in der Sommer-Hochsaison 2009 erfolgten Ankunft und Abfahrt der gewählten Züge ausnahmsweise zunächst fahrplangemäß, so daß die Unsicherheit, ob denn beim nächsten Umstieg der Anschlußzug zu erreichen sei, und der damit verbundene Streß entfielen. Die dadurch entstandene Euphorie wurde allerdings kurz vor dem Ziel jäh gedämpft: Endstation der Fahrt war kurz nach dem Schliersee, nämlich in Fischhausen-Neuhaus rund 12 km Luftlinie vom Bahnhof in Bayrischzell entfernt. Grund und Folgen des vorzeitigen Endes der Fahrt können nur fassungslos zur Kenntnis genommen werden.
Die Entscheider bei der Deutschen Bahn AG glauben offensichtlich, daß der optimale Zeitpunkt, um Bahnstrecken in beliebte bayerische Touristenorte wie Bayrischzell zu reparieren, die sommerliche Hochsaison ist. Logisch: die mit den Reparaturen betrauten Arbeiter fühlen sich zweifellos bei sengender Sonne und 32 Grad im Schatten am wohlsten, wenn das Metall der Schienen sowie die dunklen Schwellen richtig glühen, und die Strecke nach Bayrischzell wird gerade in den Sommerferien am wenigsten gebraucht.
Selbstverständlich war es aus Sicht der Deutschen Bahn AG auch völlig unnötig, bei der Ausgabe des Fahrplans via Internet auf das vorzeitige Ende der Fahrt hinzuweisen. Schließlich war der Schienenersatzverkehr (Beamtendeutsch für Busfahren) ja eine befriedigende Alternative, insbesondere da die Fahrgäste im Bus sich dann nicht mehr durch lästige MTB-Fahrer und ihre Geräte belästigt fühlen mußten - diese wurden nämlich weisungsgemäß von den Busfahrern nicht mitgenommen.
Dies zeigt einmal mehr, was an anderer Stelle schon geschrieben steht [Link]: die Schlüsselqualifikationen für den Aufstieg in die Führungsebenen der Deutschen Bahn AG sind Unverschämtheit sowie ein niedriger IQ. Dies nimmt nicht Wunder, besteht doch immer noch ein enger Zusammenhang zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Bahn AG, und ist insofern doch zu erwarten, daß das Führungspersonal dieser ebenso wenig mit irgendeiner Art von fachlicher oder moralischer Qualifikation ausgestattet ist wie die das jener. Aber das Ausmaß des Versagens überrascht doch immer wieder.
Wie viel Blödheit und Rücksichtslosigkeit sind eigentlich erforderlich, um die Reparaturen für eine Strecke in eine bayerische Touristen-Hochburg in die Hochsaison zu legen [Link], die Sperrung der Strecke bei der Ausgabe von Fahrplänen im Internet mit keiner Silbe zu erwähnen, und dann noch einen Ersatzverkehr einzusetzen, der keine Fahrräder befördert? Ein psychisch gesunder Mensch wäre unabhängig von seiner Ausbildung zu so viel Idiotie jedenfalls gar nicht in der Lage, und man fragt sich deshalb angsterfüllt, wo eigentlich dieses Heer von Vollpfosten und Psychopathen seinen Ursprung hat, aus dem die Deutsche Bahn AG ihre mittleren und höheren Führungsebenen speist.
Besserung ist nicht in Sicht. Auch im Jahr 2011 mußten Bahnstrecken repariert werden, unter anderem diejenige nach Oberstdorf. Der geneigte Leser möge raten, welcher Zeitraum hierfür auserkoren wurde. Richtig geraten: 30.07.2011 bis 29.10.2011 [Link].
Daß in anderen Betrieben, die sich auf Bundesebene mit Verkehrsplanung beschäftigen, die gleiche Mentalität und Unfähigkeit vorherrschen, zeigt eine Anekdote, die ebenfalls aus 2011 stammt: Wieder einmal wurde meine Lieblings-Autobahn, nämlich die A8, in der sommerlichem Hochsaison zu Ferienbeginn gesperrt oder wesentlich verengt [Link] - für Reparaturarbeiten! Der Chef (oder Sprecher?) der zuständigen Autobahnmeisterei hatte dann die Chuzpe, in einem Radio-Interview im Brustton der Überzeugung und voller Selbstbewußtsein sinngemäß folgendes zum Besten zu geben: Man müsse die Sperrung zu diesem Zeitpunkt vornehmen, weil die Reparaturen im Winter nicht durchführbar seien.
Schon klar: Zwischen dem Dezember und dem August gibt es bekanntermaßen keine anderen Monate. Erschreckend ist, mit welcher Selbstverständlichkeit solche hirnrissigen Argumente öffentlich kommuniziert werden, und daß ein Mensch, der Derartiges ausspricht oder aussprechen muß, nicht vor Scham im Boden versinkt. Andererseits hat schon Bertrand Russell treffend festgestellt: "Es ist ein Jammer, daß die Dummköpfe so selbstsicher sind und die Klugen so voller Zweifel."
Aber eigentlich soll die Tour ums Trainsjoch Gegenstand dieses Artikels sein: Diese begann für uns also mit der Suche nach einer Möglichkeit, von Fischhausen-Neuhaus zum Bahnhof in Bayrischzell zu gelangen, denn der Track, den wir auf unseren GPS-Geräten gespeichert hatten und dem wir bei unserer Tour folgen wollten, begann ebendort. Die erste Idee, einfach der Bundesstraße B307 zu folgen, die die beiden Orte verbindet, wurde nach einem kurzen Blick auf das extreme Verkehrsaufkommen ad acta gelegt.
Wieder einmal erwies sich die Kartendarstellung unserer GPS-Geräte als äußerst nützlich, fanden wir doch eine Route, die zwar anfangs für kurze Zeit an der B307 entlang führte; diese konnte dann aber verlassen werden, und ab da war die Fahrt nach Bayrischzell sogar schön, teils entlang Bachläufen, teils entlang der gerade in der Reparatur befindlichen Bahnstrecke, zum größten Teil ohne Autoverkehr. Diese Route ist in der Karte nicht sichtbar, da sie nicht zur eigentlichen Tour gehört.
Die Fahrt vom Bahnhof in Bayrischzell zum Startpunkt der Tour war noch unangenehmer als erwartet. Sie verlief für ungefähr 6 km entlang der ST2075, einer Staatsstraße mit extremem Verkehrsaufkommen, die aus irgendeinem Grund überproportional viele minderbemittelte motorisierte Verkehrsteilnehmer anzieht und zum Versuch animiert, ihre geistigen und körperlichen Defizite durch rücksichtslose Raserei und laute Fahrweise zu kompensieren und so um Aufmerksamkeit zu buhlen, die Ihnen abseits der Straße wohl kaum zuteil wird.
Aber auch diejenigen motorisierten Verkehrsteilnehmer, die nicht auf den ersten Blick der Gruppe dieser Hirnamputierten zuzuordnen sind, schneiden Radfahrer und Fußgänger hier in krimineller Weise und überholen ohne jede Rücksicht auf Gegenverkehr. Man scheint sich einen Spaß daraus zu machen, den Schwächeren beim Überholen eine möglichst große, stinkende Wolke Abgas in die Lungen zu pumpen, gleichsam als Strafe für die Revoluzzer, deren symbolhafte Langsamkeit in dieser Gegend wohl als provozierendes Sinnbild für ein sich trotz skrupelloser Zerstörung der Umwelt nicht einstellendes Wirtschaftswachstum aufgefaßt wird und deshalb ausgemerzt werden muß.
Nicht einmal ein Radweg, der zwar nicht das Wohlbefinden gesteigert, aber immerhin eine Fahrt ohne Lebensgefahr ermöglicht hätte, war vorhanden. Leider stellte sich im weiteren Verlauf der Tour heraus, daß wir keineswegs in eine Sondersituation geraten waren, sondern daß die vorherrschende Fahrweise auf dieser Straße und das schäbige und rücksichtslose Verhalten gegenüber der Umwelt und den Langsameren die Mentalität der Bevölkerung und der Politik im Bayrischzeller Raum widerspiegeln.
Radarmessungen an dieser Straße wären mit Sicherheit eine Goldgrube für die öffentliche Kasse, sind jedoch offenbar politisch nicht gewollt. Niemand gebietet dem Umwelt- und Lärm-Terrorismus Einhalt, der durch die vielen Möchtegerns und ihre Geistesprothesen verursacht wird. Dies ist umso bedauerlicher, als deren Anzahl heutzutage nicht mehr durch natürliche Selektion reduziert wird.
Nach einer endlos scheinenden guten Viertelstunde, während der ich zum ersten und bisher einzigen Mal in meinem Leben Angst auf dem MTB verspürte, war endlich der rettende Parkplatz erreicht, der den Startpunkt der Tour markiert. Deren erstes Etappenziel ist das kleine Joch zwischen Wirtshöhe und Schneelahner, das im größeren Maßstab als Verbindung zwischen dem Massiv des Trainsjoch und dem Mangfallgebirge aufgefaßt werden kann.
Zunächst führte die Strecke mit mäßiger Steigung durch das Nesseltal, meist in der Nähe kleinerer Bachläufe, an der Nesselalm vorbei. Später wurde der Untergrund etwas schwieriger und der Weg steil, gelegentlich sehr steil. Zum Schluß stand eine kurze, steile Tragestrecke auf schmaler Pfadspur durch lichten Bergwald auf dem Programm. Auf diesem Streckenabschnitt waren rund 450 hm zu überwinden, verteilt auf eine Distanz von rund 5 km.
Als Naturfreunde kamen wir dabei voll auf unsere Kosten. Die Fahrt fand in absoluter Einsamkeit statt; wir begegneten auf diesem Abschnitt keiner Menschenseele. Das Ausbleiben der Bergsportler war wohl eine der Voraussetzungen dafür, daß hier faszinierende Vegetation und mächtige Ameisenhaufen auf dem Boden des Bergwaldes und der ihn durchsetzenden Wiesen entstanden sind.
Dieser erfreulichen Situation folgte der erste Höhepunkt der Tour, nämlich die Überquerung des oben erwähnten Jochs. Umgab uns während der letzten Kilometer mehr oder weniger wind- und blickdichter Bergwald, so befanden wir uns nun plötzlich inmitten einer kräftigen Brise, die über das Joch zog, unvermittelt tat sich das freie Gelände der Wirtsalm vor uns auf, und es eröffneten sich schöne Blicke auf benachbarte Berge, insbesondere auf den rund 3 km entfernten Brünnstein. Nach Passage der Wirtsalm und einer weiteren kleinen Auffahrt war der höchste Punkt der Tour erreicht und deren erster Abschnitt beendet.
Von jenem höchsten Punkt aus waren bereits tolle Blicke auf den Wilden Kaiser möglich. Das Wissen, diesem im weiteren Verlauf der Tour noch näher zu kommen, steigerte die Vorfreude auf die weiteren Etappen. Zunächst jedoch stand eine längere Abfahrt auf dem Plan; aus dem freien Almgelände mit Weitblick tauchten wir in dichtere Bewaldung ein und folgten dem steil abfallenden Weg durch die Roßleiten, parallel zum Alpbach, aber immer einige Höhenmeter über diesem. Gut 450 hm auf rund 3.5 km wurden abgebaut, bis der Alpbach bei der Stubler-Alm auf den berühmten Gießenbach traf.
Hier war trotz der Breite des Forstwegs und trotz des guten Untergrunds ein wenig Aufmerksamkeit erforderlich. Der Weg führte ohne Sicherung an der Gießenbachklamm entlang, nur durch einen handtuchbreiten Grasstreifen von der senkrechten Felswand der Schlucht getrennt; ein Versteuern hätte fatale Folgen gehabt.
Leider ist die Klamm von oben kaum einzusehen; selbst wer alle Vorsicht beiseite schiebt und sich über den Rand der Schlucht beugt, hört zwar das Tosen des Wassers in der Tiefe, sieht aber nicht den Grund der Schlucht. Aus Zeitmangel und wegen zu hohen Wasserstands scheiterte auch der Versuch, nach Passage der Klamm von unten her in diese einzudringen, um ein wenig mehr dieses Naturschauspiels genießen zu können.
Die weitere Abfahrt begleitete den Gießenbach einmal nah, einmal entfernter über rund 6.5 km und 260 hm ungefähr bis Breitenau; der Endpunkt der Abfahrt liegt tiefer als der Startpunkt der Tour. Bis zu diesem Punkt war die Tour empfehlenswert und schön, natürlich abgesehen von der Anfahrt auf der Bundes- und Staatsstraße. Für den verbleibenden Teil der Tour sollte allerdings das Gegenteil gelten.
Nach Breitenau begann der Anstieg zum zweiten Gipfel. Zuerst führte der Weg entlang des Kieferbachs und der Thierseer Ache für rund 1.5 km bei kaum spürbarer Steigung flußaufwärts durch das Gelände einer riesigen, stillgelegten Fabrik, welche dem Abbau oder der Vorverarbeitung von Kalkstein diente und von der aus das Werk der HeidelbergCement AG in Kiefersfelden beliefert wurde. Resigniert nahmen wir zur Kenntnis, welch exorbitant große Fläche durch die Fabrik zerstört worden ist.
Nach Passage des Zementwerks schlängelte sich der Weg auf der Bergschulter, die das Tal der Thierseer Ache auf der nordöstlichen Seite begrenzt, ungefähr 1 km lang rund 100 hm bergauf. Spätestens hier verwandelte sich unsere Resignation in kalte Wut angesichts des ungeheuren Ausmaßes der Umweltschäden, die hier verursacht worden sind: zur Gewinnung des Kalksteins ist die Schulter des gegenüberliegenden Berges zu einem großen Teil weggesprengt worden! [Link]
Wieder einmal wünscht man sich, daß die bestochenen Verbrecher, die die Genehmigungen für einen solchen Raubbau erteilen, eines Tages dafür bezahlen müssen, was sie der Umwelt und den zukünftigen Generationen durch ihre Profitgier antun. Aber das wird in einer Gesellschaft, die mittlerweile von zu langfristigem Denken in größeren Zusammenhängen völlig unfähigen BWL-Absolventen regiert wird, vor allem aber von korrupten Politikern mit unfaßbar niedrigem IQ [typisches Beispiel], auf absehbare Zeit kaum der Fall sein.
Wir waren derart verdattert, daß wir es versäumten, die gruselige Szene zu dokumentieren, und wollten diesen Eindrücken so schnell wie möglich entrinnen. Die Strecke verlief nun für rund 2 km fast flach und autofrei vorbei an einzelnen Gehöften oder Häusern und für rund 1 km durch Vorderthiersee und entlang einer Hauptstraße. Nach Verlassen derselben und Überquerung der Thierseer Ache begann der letzte größere Anstieg der Tour über rund 6 km und rund 600 hm, entlang der Flanken des Vorderen und Hinteren Sonnberg, die durch den Trainsbach und das von ihm geschaffene kleine Tal getrennt werden.
Während dieses Anstiegs betrug die Steigung fast durchgängig um die 15%, zusätzlich war der Anstieg durchsetzt von kleineren, giftigen Rampen, zu deren Bewältigung neben einer gewissen Kondition auch fahrtechnische Grundfertigkeiten Voraussetzung sind. In der Nähe der Stelle, an der der Trainsbach überquert wurde, konnten dann die erwarteten grandiosen Aussichten auf den wilden Kaiser und seine Umgebung genossen werden.
Doch dies war kein Ausgleich für die negativen Erlebnisse, die wir während der sonst sehr schönen Auffahrt hatten:
Erstens herrschte ständige Lärmbelästigung vor, auch 600 hm über dem Talboden und seiner Hauptstraße. Die Erklärung fanden wir erst später bei nochmaligem Studium der Karten: Die auf dem Talboden verlaufende L37 ist schlicht und einfach die Fortsetzung der oben erwähnten ST2075 auf österreichischer Seite; dort wird selbstverständlich genauso rücksichtslos gerast wie auf der deutschen Seite. Trotz der Höhendifferenz von 600 m gibt es kein Entrinnen aus dem Lärm, der von den oben genannten minderbemittelten Individuen verursacht wird. Die Straßen haben das Trainsjoch von fast allen Seiten im Würgegriff.
Zweitens waren wir entsetzt darüber, daß man auch in Österreich offenbar keine Probleme damit hat, Neubauten riesiger Gehöfte in empfindlichen Bergregionen zu genehmigen, und der Meinung ist, daß am besten jeder Feld- und Forstweg asphaltiert werden muß, auch in Bergregionen, die jeder vernünftige Mensch diesbezüglich für tabu halten würde.
Daß deutsche Politiker diesbezüglich an Skrupellosigkeit nicht zu überbieten sind, so lange nur genug persönlicher Profit dabei herausspringt (also immer), ist bekannt, aber unsere österreichischen Nachbarn schienen bislang vernünftiger mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Anscheinend hat sich jedoch in der Gegend um Bayrischzell und Kufstein ein besonderer Menschenschlag entwickelt. Devolution wäre wohl ein passender, wenn auch bislang unbekannter Begriff für eine solche Entwicklung.
Drittens, und das wog am schwersten, rasten regelmäßig auf den Forstwegen, auf denen der Anstieg verlief und die für motorisierten Verkehr gesperrt waren, drohend dreinblickende Subjekte mit schrottreifen Autos auf und ab. Diesen war nun wirklich auf den ersten Blick anzusehen, daß sie der alleruntersten sozialen und intellektuellen Kategorie angehörten, und ebenso, daß ihre letzte Dusche wohl schon einige Wochen zurücklag.
Im Minutenabstand wären wir jeweils fast vom Rad gefegt worden wären von einem dieser Proleten. Es blieb uns nichts anderes übrig, als jedes Mal, wenn wir die Gefahr herannahen hörten, unsere Fahrt zu unterbrechen und uns aus der Schußlinie zu bringen. Selbstverständlich hatte das Pack die Nummernschilder von den Fahrzeugen abmontiert, so daß eine Anzeige bei der Polizei vergeblich gewesen wäre. So etwas habe ich in den 25 Jahren, in denen ich nun MTB fahre, kein weiteres Mal erlebt.
Über den letzten Teil der Tour ist schnell berichtet: Nach Erreichen des höchsten Punkts nahm die Bedrohung durch die Dorfdeppen und ihre Fahrzeuge ab, weil wir die Abfahrt genauso schnell meistern konnten wie sie und wir ihnen insofern nicht mehr im Weg waren. Die Abfahrt verlief auf einem der gebirgstypischen Forstwege, der großenteils durch den Wald an der Flanke des Hinteren Sonnbergs zurück führte zur ST2075 und dabei über eine Distanz von rund 5 km knapp 400 hm abbaute.
Um zum Startpunkt der Tour zu gelangen, mußte dann noch die ST2075 für rund 2 km in Richtung Norden befahren werden. Von hier fand die Rückfahrt zum Bahnhof in Bayrischzell statt, natürlich wieder unter den eingangs geschilderten widrigen Umständen.
Dort geschah dann noch etwas Versöhnliches: Wenn wir mit dem MTB vom Bayrischzeller Bahnhof nach Fischhausen zurückfahren hätten müssen, hätten wir den avisierten Zug nicht erreicht und zwei Stunden warten müssen. Einer der Busfahrer, der für den Schienenersatzverkehr eingeteilt war, hat sich deshalb nach kurzem Überlegen und sichtbarem Kampf mit sich selbst dazu entschlossen, seine Dienstanweisung zu ignorieren und nicht nur uns, sondern auch unsere Fahrzeuge in seinem Bus zu befördern.
Für dieses Maß an Menschlichkeit und Zivilcourage gebühren diesem Mann noch heute unser Respekt und unsere Dankbarkeit, und selbstverständlich haben wir vor dem Einstieg unsere MTBs gereinigt, soweit dies mithilfe des zur Verfügung stehenden Werkzeugs, nämlich Grasbüschel und Zweige, möglich war, und uns dann peinlichst darum bemüht, auch die kleinste Verschmutzung seines blitzsauberen und offenkundig nagelneuen Gefährts zu verhindern. Es war wie immer: Diejenigen, die die echte Arbeit leisten, gleichen unter persönlichem Risiko die Dummheit und Unverschämtheit der ihnen vorgesetzten Nieten in Nadelstreifen aus, so gut es eben geht.
Am Bahnhof und während der Busfahrt kamen wir zu guter Letzt noch mit einigen älteren Herrschaften ins Gespräch. Diese waren in der Hoffnung nach Bayrischzell gefahren, dort naturnah wandern zu können und einmal wieder einige Wildbäche zu sehen. Es sagt einiges aus, wenn auch Personen höheren Alters, die sich doch normalerweise um andere Dinge sorgen als den Umweltschutz, sich zornig darüber äußern, daß "alle Bäche zubetoniert" seien und überhaupt die Natur im schlimmsten Ausmaß vergewaltigt werde.
Fazit:
Die Erlebnisse dieses Tages fügen sich zu einem Gesamtbild. Geltunssüchtige Raser und verwahrloste Halbaffen verschmutzen rücksichtslos die Umwelt und gefährden kriminell Wanderer und Fahrradfahrer auf Straßen und gesperrten Forstwegen; halbe Berge werden zur Zementgewinnung weggesprengt; mitten auf dem Berg werden Neubauten riesiger Gehöfte genehmigt; Wildbäche werden am liebsten zubetoniert, ein großes Ziel scheint die Asphaltierung aller Forstwege mit anschließender uneingeschränkter Freigabe für den Autoverkehr zu sein; auch viele hundert Höhenmeter über dem Tal herrscht permanenter Lärm; Umweltschutz egal welcher Art ist ein Fremdwort im Bayrischzeller Raum.
Während andernorts zumindest gelegentlich Hoffnungsschimmer und Hinwendung zu nachhaltigem Wirtschaften erkennbar sind, befindet man sich hier auf dem geistigen Stand, der in der Mitte des letzten Jahrhunderts vorherrschte. Falsche Propheten, die es aufgrund ihrer Ausbildung und fehlender geistiger Fähigkeiten nicht besser wissen können, treffen hier offenbar auf noch dümmere, oder, was wahrscheinlicher ist, korrupte Entscheider, die der Bevölkerung vorgesetzt sind; daß Letztere die beiden Ersteren nicht längst zum Teufel gejagt hat, ist nur durch eine Art lokaler Devolution zu erklären.
Oder sollte das alles von weiter oben verordnet sein, es sich gar um eine Spielart dessen handeln, was die Bayerische Staatsregierung als "Entwicklung des ländlichen Raums" bezeichnet? Gute Nacht, Zukunft!
Bayrischzell und Umgebung - ganz sicher nie wieder!
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